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Stellenwert der kardiologischen Rehabilitation
Jatros
Autor:
Prim. Priv.-Doz. Mag. Dr. Thomas Berger
SKA-RZ Saalfelden<br> Ludwig Boltzmann Cluster für Arthritis und Rehabilitation<br> E-Mail: t.berger@pensionsversicherung.at
30
Min. Lesezeit
08.09.2016
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<p class="article-intro">Die kardiologische Rehabilitation wurde im Rahmen eines Updates der letzten Leitlinien zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie im Juni 2016 hinsichtlich ihres Empfehlungsgrades von IIa auf I aufgewertet.<sup>1</sup> Diese Aufwertung auf die höchste Evidenzbasis unterstreicht einmal mehr die Bedeutung und den Stellenwert eines strukturierten medizinischen Rehabilitationsprogramms für ein leitliniengerechtes medizinisches Behandlungskonzept von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Aufwertung der kardiologischen Rehabilitation von Empfehlungsklasse IIa auf I</li> <li>Klare Evidenz hinsichtlich des positiven Effekts auf Mortalität, Rehospitalisierung und Lebensqualität</li> <li>Insgesamt geringes Risiko durch eine medizinische Trainingstherapie</li> <li>Verbesserung der Awareness zur Erhöhung der Teilnahme an kardiologischen Rehabilitationsprogrammen essenziell</li> </ul> </div> <h2>Durchführung der kardiologischen ­Rehabilitation</h2> <p>In Österreich gibt es die Möglichkeit, eine kardiologische Rehabilitation entweder stationär (3- oder 4-wöchiger Aufenthalt in einem Rehabilitationszentrum) oder ambulant (üblicherweise 6 Wochen bis max. 12 Monate Dauer in einer ambulanten Einrichtung) durchzuführen. Hauptelemente sind dabei die Optimierung der medikamentösen Therapie entsprechend den aktuellen Leitlinien, die Durchführung einer strukturierten medizinischen Trainingstherapie, die Teilnahme an Schulungen über die jeweilige Erkrankung und deren Risikofaktoren, eine diätologische Beratung sowie auch die Möglichkeit einer psychologischen Betreuung (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite20.jpg" alt="" width="467" height="510" /></p> <p>Aufgrund der aktuellen demografischen Entwicklungen ist trotz der großen Fortschritte in der Kardiologie auch in Zukunft mit einer deutlichen Zunahme der Zahl an Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu rechnen. Gerade deshalb sind neben der Sekundärprävention („klassischer“ Rehabilitationsaufenthalt nach einem Akutereignis) auch die Erfassung von Patienten mit einem ausgeprägten kardiovaskulären Risikoprofil und die Einleitung primärpräventiver Maßnahmen für diese Patienten inklusive kardiologischer Rehabilitation sehr wichtig.</p> <h2>Kardiovaskuläre Risikobeurteilung</h2> <p>Zur Beurteilung des individuellen Risikos von Patienten ohne bereits bekannte Herz-Kreislauf-Erkrankungen können diverse Risikokalkulatoren verwendet werden. In Europa ist das SCORE-Modell zur Berechnung des 10-Jahres-Mortalitätsrisikos aufgrund einer Herz-Kreislauf-Erkrankung gut etabliert. Dieses Modell wurde auf Grundlage von zwölf prospektiven Studien, die in insgesamt elf europäischen Ländern durchgeführt wurden, erstellt (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite21_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Generell wird ein Screening bzw. eine Berechnung des kardiovaskulären Risikos bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr und bei Männern ab dem 40. Lebensjahr empfohlen. Bei Patienten mit einer bekannten Autoimmunerkrankung (z.B. rheumatoider Arthritis) wird aufgrund des erhöhten kardiovaskulären Risikos empfohlen, die jeweiligen SCORE-Werte mit dem Faktor 1,5 zu multiplizieren. Ein Screening von jüngeren Patienten ohne bekannte kardiovaskuläre Risikofaktoren wird aus Gründen der Kosteneffizienz allerdings nicht empfohlen (Tab. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite21_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Für Patienten mit einem hohen bzw. sehr hohen Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung aufgrund bereits stattgehabter vaskulärer Akutereignisse bzw. anderweitiger Risikoerkrankungen ist keine SCORE-Evaluierung notwendig. Die entsprechenden Komorbiditäten sind in Tabelle 3 angeführt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite22_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Bei allen Patienten mit einem moderaten oder noch höheren Risiko sollte eine umgehende Behandlung der Risikofaktoren entsprechend den aktuellen Empfehlungen eingeleitet werden (Tab. 4).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite22_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Evidenz bezüglich des Effekts der kardiologischen Rehabilitation</h2> <p>Hinsichtlich der Effekte einer kardiologischen Rehabilitation gibt es mittlerweile eine gute Evidenzlage auf Basis mehrerer Metaanalysen, die alle einen positiven Effekt auf die kardiovaskuläre Mortalität zeigten. In einer 2011 publizierten Cochrane-Metaanalyse von 47 randomisierten Studien (insgesamt 10.764 Patienten) konnte eine relative Risikoreduktion von 13 % hinsichtlich der Gesamtsterblichkeit und von 26 % hinsichtlich der kardiovaskulären Sterblichkeit nachgewiesen werden.<sup>2</sup> Rezent wurde in einer großen Studie (35.919 Patienten aus einer Versicherungsdatenbank) in den Niederlanden ein deutlicher Überlebensvorteil für Patienten, die sich einem kardiologischen Rehabilitationsprogramm unterzogen hatten, nachgewiesen (Abb. 2). Dieser positive Effekt war am deutlichsten ausgeprägt bei Patienten nach chirurgischer Revaskularisation bzw. Klappeneingriffen.<sup>3</sup><br /> Darüber hinaus gibt es auch gute Evidenz, dass speziell bei Patienten mit Herzinsuffizienz die Rehospitalisierungsraten reduziert werden können. Zudem kann durch rehabilitative Maßnahmen auch eine Verbesserung etwaiger psychischer Belastungsreaktionen und auch der Lebensqualität erreicht werden.<sup>4</sup><br /> Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch die insgesamt sehr gute Verträglichkeit der kardiologischen Rehabilitationsmaßnahmen. Es zeigen sich in großen Patientenkollektiven nur wenige schwerwiegende Ereignisse während der durchgeführten medizinischen Trainingstherapien. So kam es zum Beispiel zum Auftreten von einem kardiovaskulären Ereignis pro 50.000 Trainingsstunden. Ereignisse von plötzlichem Herztod traten insgesamt nur in 1,3 Fällen pro 1 Million Trainingsstunden auf.<sup>5</sup> Dies ist speziell in Anbetracht des behandelten Patientenkollektivs bzw. der vorliegenden Grunderkrankungen beachtenswert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite22_3.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Trotz der guten Evidenzlage hinsichtlich der Effektivität ist die Teilnahme an kardiologischen Rehabilitationsprogrammen allerdings immer noch relativ gering. An die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten angepasste Rehabilitationsprogramme (stationär, ambulant, telemedizinisch unterstützt, …) sind wesentlich, um die Adhärenz weiter zu verbessern und die Kosteneffizienz zu steigern. Eine Verbesserung der Schnittstellen (Akutkrankenhaus – Rehabilitationszentrum – niedergelassener Bereich) und eine Erhöhung der „Awareness“ stellen diesbezüglich wesentliche Herausforderungen für die Zukunft dar.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Piepoli M et al: Eur Heart J 2016; doi: 10.1093/eurheartj/ehw106<br /><strong>2</strong> Heran BS et al: Cochrane Database Syst Rev 2011; 7: CD001800<br /><strong>3</strong> de Vries H et al: Eur Heart J 2015; 36: 1519-28<br /><strong>4</strong> Sagar VA et al: Open Heart 2015; 2: e000163<br /><strong>5</strong> Pacy B et al: Arch Int Med 2006; 166: 2229-34</p>
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