© AlexLMX iStockphoto

Neue ESC-Guidelines 2016

Stellenwert der kardiologischen Rehabilitation

<p class="article-intro">Die kardiologische Rehabilitation wurde im Rahmen eines Updates der letzten Leitlinien zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie im Juni 2016 hinsichtlich ihres Empfehlungsgrades von IIa auf I aufgewertet.<sup>1</sup> Diese Aufwertung auf die höchste Evidenzbasis unterstreicht einmal mehr die Bedeutung und den Stellenwert eines strukturierten medizinischen Rehabilitationsprogramms für ein leitliniengerechtes medizinisches Behandlungskonzept von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Aufwertung der kardiologischen Rehabilitation von Empfehlungsklasse IIa auf I</li> <li>Klare Evidenz hinsichtlich des positiven Effekts auf Mortalit&auml;t, Rehospitalisierung und Lebensqualit&auml;t</li> <li>Insgesamt geringes Risiko durch eine medizinische Trainingstherapie</li> <li>Verbesserung der Awareness zur Erh&ouml;hung der Teilnahme an kardiologischen Rehabilitationsprogrammen essenziell</li> </ul> </div> <h2>Durchf&uuml;hrung der kardiologischen &shy;Rehabilitation</h2> <p>In &Ouml;sterreich gibt es die M&ouml;glichkeit, eine kardiologische Rehabilitation entweder station&auml;r (3- oder 4-w&ouml;chiger Aufenthalt in einem Rehabilitationszentrum) oder ambulant (&uuml;blicherweise 6 Wochen bis max. 12 Monate Dauer in einer ambulanten Einrichtung) durchzuf&uuml;hren. Hauptelemente sind dabei die Optimierung der medikament&ouml;sen Therapie entsprechend den aktuellen Leitlinien, die Durchf&uuml;hrung einer strukturierten medizinischen Trainingstherapie, die Teilnahme an Schulungen &uuml;ber die jeweilige Erkrankung und deren Risikofaktoren, eine di&auml;tologische Beratung sowie auch die M&ouml;glichkeit einer psychologischen Betreuung (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite20.jpg" alt="" width="467" height="510" /></p> <p>Aufgrund der aktuellen demografischen Entwicklungen ist trotz der gro&szlig;en Fortschritte in der Kardiologie auch in Zukunft mit einer deutlichen Zunahme der Zahl an Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu rechnen. Gerade deshalb sind neben der Sekund&auml;rpr&auml;vention (&bdquo;klassischer&ldquo; Rehabilitationsaufenthalt nach einem Akutereignis) auch die Erfassung von Patienten mit einem ausgepr&auml;gten kardiovaskul&auml;ren Risikoprofil und die Einleitung prim&auml;rpr&auml;ventiver Ma&szlig;nahmen f&uuml;r diese Patienten inklusive kardiologischer Rehabilitation sehr wichtig.</p> <h2>Kardiovaskul&auml;re Risikobeurteilung</h2> <p>Zur Beurteilung des individuellen Risikos von Patienten ohne bereits bekannte Herz-Kreislauf-Erkrankungen k&ouml;nnen diverse Risikokalkulatoren verwendet werden. In Europa ist das SCORE-Modell zur Berechnung des 10-Jahres-Mortalit&auml;tsrisikos aufgrund einer Herz-Kreislauf-Erkrankung gut etabliert. Dieses Modell wurde auf Grundlage von zw&ouml;lf prospektiven Studien, die in insgesamt elf europ&auml;ischen L&auml;ndern durchgef&uuml;hrt wurden, erstellt (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite21_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Generell wird ein Screening bzw. eine Berechnung des kardiovaskul&auml;ren Risikos bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr und bei M&auml;nnern ab dem 40. Lebensjahr empfohlen. Bei Patienten mit einer bekannten Autoimmunerkrankung (z.B. rheumatoider Arthritis) wird aufgrund des erh&ouml;hten kardiovaskul&auml;ren Risikos empfohlen, die jeweiligen SCORE-Werte mit dem Faktor 1,5 zu multiplizieren. Ein Screening von j&uuml;ngeren Patienten ohne bekannte kardiovaskul&auml;re Risikofaktoren wird aus Gr&uuml;nden der Kosteneffizienz allerdings nicht empfohlen (Tab. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite21_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>F&uuml;r Patienten mit einem hohen bzw. sehr hohen Risiko f&uuml;r eine Herz-Kreislauf-Erkrankung aufgrund bereits stattgehabter vaskul&auml;rer Akutereignisse bzw. anderweitiger Risikoerkrankungen ist keine SCORE-Evaluierung notwendig. Die entsprechenden Komorbidit&auml;ten sind in Tabelle 3 angef&uuml;hrt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite22_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Bei allen Patienten mit einem moderaten oder noch h&ouml;heren Risiko sollte eine umgehende Behandlung der Risikofaktoren entsprechend den aktuellen Empfehlungen eingeleitet werden (Tab. 4).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite22_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Evidenz bez&uuml;glich des Effekts der kardiologischen Rehabilitation</h2> <p>Hinsichtlich der Effekte einer kardiologischen Rehabilitation gibt es mittlerweile eine gute Evidenzlage auf Basis mehrerer Metaanalysen, die alle einen positiven Effekt auf die kardiovaskul&auml;re Mortalit&auml;t zeigten. In einer 2011 publizierten Cochrane-Metaanalyse von 47 randomisierten Studien (insgesamt 10.764 Patienten) konnte eine relative Risikoreduktion von 13 % hinsichtlich der Gesamtsterblichkeit und von 26 % hinsichtlich der kardiovaskul&auml;ren Sterblichkeit nachgewiesen werden.<sup>2</sup> Rezent wurde in einer gro&szlig;en Studie (35.919 Patienten aus einer Versicherungsdatenbank) in den Niederlanden ein deutlicher &Uuml;berlebensvorteil f&uuml;r Patienten, die sich einem kardiologischen Rehabilitationsprogramm unterzogen hatten, nachgewiesen (Abb. 2). Dieser positive Effekt war am deutlichsten ausgepr&auml;gt bei Patienten nach chirurgischer Revaskularisation bzw. Klappeneingriffen.<sup>3</sup><br /> Dar&uuml;ber hinaus gibt es auch gute Evidenz, dass speziell bei Patienten mit Herzinsuffizienz die Rehospitalisierungsraten reduziert werden k&ouml;nnen. Zudem kann durch rehabilitative Ma&szlig;nahmen auch eine Verbesserung etwaiger psychischer Belastungsreaktionen und auch der Lebensqualit&auml;t erreicht werden.<sup>4</sup><br /> Erw&auml;hnenswert in diesem Zusammenhang ist auch die insgesamt sehr gute Vertr&auml;glichkeit der kardiologischen Rehabilitationsma&szlig;nahmen. Es zeigen sich in gro&szlig;en Patientenkollektiven nur wenige schwerwiegende Ereignisse w&auml;hrend der durchgef&uuml;hrten medizinischen Trainingstherapien. So kam es zum Beispiel zum Auftreten von einem kardiovaskul&auml;ren Ereignis pro 50.000 Trainingsstunden. Ereignisse von pl&ouml;tzlichem Herztod traten insgesamt nur in 1,3 F&auml;llen pro 1 Million Trainingsstunden auf.<sup>5</sup> Dies ist speziell in Anbetracht des behandelten Patientenkollektivs bzw. der vorliegenden Grunderkrankungen beachtenswert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite22_3.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Trotz der guten Evidenzlage hinsichtlich der Effektivit&auml;t ist die Teilnahme an kardiologischen Rehabilitationsprogrammen allerdings immer noch relativ gering. An die Bed&uuml;rfnisse der Patientinnen und Patienten angepasste Rehabilitationsprogramme (station&auml;r, ambulant, telemedizinisch unterst&uuml;tzt, &hellip;) sind wesentlich, um die Adh&auml;renz weiter zu verbessern und die Kosteneffizienz zu steigern. Eine Verbesserung der Schnittstellen (Akutkrankenhaus &ndash; Rehabilitationszentrum &ndash; niedergelassener Bereich) und eine Erh&ouml;hung der &bdquo;Awareness&ldquo; stellen diesbez&uuml;glich wesentliche Herausforderungen f&uuml;r die Zukunft dar.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Piepoli M et al: Eur Heart J 2016; doi: 10.1093/eurheartj/ehw106<br /><strong>2</strong> Heran BS et al: Cochrane Database Syst Rev 2011; 7: CD001800<br /><strong>3</strong> de Vries H et al: Eur Heart J 2015; 36: 1519-28<br /><strong>4</strong> Sagar VA et al: Open Heart 2015; 2: e000163<br /><strong>5</strong> Pacy B et al: Arch Int Med 2006; 166: 2229-34</p> </div> </p>
Back to top